Das Projekt:
Informationen für Ärzt:innen

In Deutsch­land erkranken jährlich etwa 69.000 Frauen und fast 700 Männer an Brustkrebs; etwa 7.300 Frauen erkranken an Eierstockkrebs. Bei rund 30 Prozent der Betroffenen ist dabei eine familiäre Häufung dieser Krebsarten zu beobachten. Bei etwa einem Drittel dieser Patient:innen liegt eine genetische Veränderung als Ursache zugrunde. Für Patient:innen sowie deren Angehörige stehen zunehmend bessere diagnostische und therapeutische Möglichkeiten wie z.B. eine intensivierte Brust­krebs­früh­erkennung und spezielle Medikamente zur Verfügung.

Um eine optimale Wirksamkeit dieser Maßnahmen zu erreichen, ist eine frühzeitige Identifikation der familiären Belastung essentiell. Zur Einschätzung des familiären Risikos hat die Deutsche Krebs­gesell­schaft e. V. (DKG) basierend auf Ergebnissen internationaler Studien eine Check­liste für diese Kriterien festgelegt. Sobald ein erhöhtes familiäres Krebsrisiko festgestellt wird, kann eine Beratung in einem spezialisierten Zentrum Familiärer Brust- und Eierstockkrebs und gegebenenfalls eine genetische Untersuchung erfolgen. Die dVP_FAM soll die Identifikation von Personen mit erhöhtem Risiko erleichtern und sie auf dem Weg zu einer inten­sivierteren Betreuung begleiten.

Ambulant tätige Gynäkolog:innen sind die ersten Ansprech­partner:innen für Patient:innen hinsichtlich Krebs­früh­erkennung und gynäkologischer Vorsorge. Bislang gibt es noch keine institutionalisierte Zusammenarbeit von nieder­gelassenen Gynäkolog:innen und FBREK-Zentren. Das Projekt dVP_FAM soll dazu beitragen, dass im Rahmen der Familienanamnese routinemäßig alle Patient:innen bereits bei der Erstvorstellung in der Praxis eine differenzierte Risikoeinschätzung oder Screening der familiären Krebsrisiken erhalten und dann niedrigschwellig zu einer genetischen Beratung an ein FBREK-Zentrum verwiesen werden können. Die Digitalisierung des Screenings soll die Identifikation von Risikopersonen vereinfachen und eine frühzeitigere Diagnose von genetischen Risikosituationen ermöglichen. Dadurch kann der Effekt von präventiven Maßnahmen maximiert werden.

Durch den rasanten Wissenszuwachs – gerade im Bereich der hereditären Krebserkrankungen – ist zudem zukünftig von einer komplexeren Beratungs- und Betreuungssituation auszugehen.
Um diese Anforderungen erfüllen zu können, bedarf es neuer Strategien und Technologien. Hier bietet die Digitalisierung großes Potenzial, das die dVP_FAM erstmals umfassend einsetzt. Ziel des Projekts ist die Implementierung einer digitalen Versorgungs­plattform für Menschen mit familiärem Brust- und/oder Eierstock­krebs­risiko und für ihre behandelnden Ärzt:innen. Der Einsatz dieser Ver­sorgungs­platt­form soll vor Ort in der Praxis mit dem Screening beginnen und alle weiteren Schritte über die spezialisierte Beratung, genetische Untersuchung und Verfügbarkeit diagnostischer oder therapeutischer Maßnahmen begleiten. Dadurch soll die sektorenübergreifende Versorgung durch digitale Vernetzung gestärkt und fach­spezifisches Wissen für alle Beteiligten verfügbar gemacht werden. Letztlich kann damit auch der dynamische Wissenszuwachs bei familiären Krebs­erkrankungen von der Spitzen­medizin in die Fläche gebracht und einem möglichen Informations­verlust zwischen den Sektoren entgegengewirkt werden.

Die Ver­sorgungs­platt­form dVP_FAM besteht aus mehreren Komponenten, über die Informationen, die auf die jeweiligen Anforderungen von Ratsuchenden bzw. Ärzt:innen zugeschnitten sind, ausgetauscht werden können: Die erste Komponente umfasst alle patienten­individuellen Daten zur Eigen- und Familienanamnese, die zur individuellen Beratung, Stamm­baum­erstellung und zur Risiko­analyse herangezogen werden können. Die zweite Komponente beinhaltet alle fachlichen Informationen und Beratungs­inhalte sowohl für die Patient:innen als auch die behandelnden Ärzt:innen in der ambulanten Versorgung sowie die beratenden Ärzt:innen im spezialisierten Zentrum. Die dritte Komponente integriert die elektro­nische Patientenakte (ePA) zur Sammlung und zum Austausch von wesentlichen Dokumenten wie Einverständnis­erklärungen oder genetischen Befunden. Der Informations­austausch ist jedoch immer nur nach Freigabe durch die/den die oder den Patient:in möglich, um die volle Hoheit über die eigenen Daten zu gewährleisten.

Im Zuge der Evaluation der Ver­sorgungs­platt­form dVP_FAM wird untersucht, ob diese Form der trans­sek­toralen Versorgung zu einer früheren Identifikation von familiären Krebsrisiken führt sowie ob sich der Informationsaustausch für alle Beteiligten verbessert und damit positive Auswirkungen auf die Lebens­qualität der Betroffenen hat. Das Projekt wird daher für vier Jahre vom Innovationsfonds des G-BA gefördert. Im Erfolgsfall kann die Ver­sorgungs­platt­form in die Regel­versorgung übernommen werden.

Als teilnehmende Praxis werden Sie in Vor­bereitung auf den Studien­beginn 10/2023 – sofern Sie in die Inter­ventions­gruppe randomisiert wurden – mit der entsprechenden Software sowie den notwendigen End­geräten ausgestattet. Zudem erhalten Sie Informations­material, um Ihren Patient:innen das Projekt erläutern zu können.